Filmwissenschaft in Berlin.

Weblog der Studierenden am filmwissenschaftlichen Seminar der Freien Universität Berlin.

Montag, Januar 10, 2005

Neuigkeiten von der Berlinale

Die 55. Internationalen Filmfestspiele Berlin nähern sich mit großen Schritten. Zeit für ein kleines News-Wrap-Up der letzten Tage:

- Die 35. Auflage des Internationalen Forums des jungen Films eröffnet am 11. Februar mit der Kurzfilmsammlung Lost and Found. Die deutsche Produktion vereint sechs Geschichten junger Regie-Talente aus sechs mittel- und osteuropäischen Ländern. Die Filme stehen dabei in besonderer Beziehung zur Berlinale: 5 Regisseure waren Teilnehmer des letztjährigen Berlinale Talent Campus, weiterhin ist der letztjährig ausgezeichnte Kurzfilm (A)Torzija in der Kompilation enthalten. Weitere Infos zu den Kurzfilmen hier in meinem Filmblog.

- Ein weiterer Forumsfilm ist der koreanische This Charming Girl, das Regiedebüt von Lee Yoon-Ki. Der in Pusan mit dem Hauptpreis für junge asiatische Filmemacher ausgezeichnete Film (siehe Meldung von Variety) schildert den Alltag der Postangestellten Jeong-Hae in Seoul. Sie ist Ende Zwanzig und wohnt allein, ab und an geht sie mit Kolleginnen Essen. Etwas Abwechslung in ihr unspektakuläres Leben bringt ein zugelaufenes Kätzchen. Die Bekanntschaft mit einem schüchternen Schriftsteller könnte ein neues Glück bedeuten.

- Das Panorama feiert Jubiläum: Vor 20 Jahren ging die Sektion unter maßgeblichen Einfluss von Manfred Salzgeber aus der "Info-Schau" hervor. Aus diesem Grunde werden Ausstellungen und Veranstaltungen, die die Geschichte der Sektion beleuchten, den üblichen Betrieb während des Festivals begleiten. Weiterhin kann man bereits zahlreiche Filme, darunter Beyond the Sea (Regie: Kevin Spacey), ankündigen. Infos zu den Ausstellungen und eine Liste der feststehenden Filme hier in meinem Filmblog.

- Binnen kürzester Zeit hat sich Kosslicks liebstes Kind, die junge Sektion Perspektive Deutsches Kino, ins Festival integriert und etabliert. Fernerhin hat sie sich als wertvollen Stichwortgeber für den jungen deutschen Film im üblichen Kinobetrieb entwickelt: Zahlreiche, teils sehr erfolgreiche deutsche Filme der letzten Jahre erfuhren hier ihre erste Öffentlichkeit und nährten nachhaltig das Interesse an ihnen. Alfred Holighaus, Leiter der Sektion, kann bereits auf fünf zugesagte Filme hinweisen. Aus der Pressemitteilung:

"Gleich zwei Spielfilme stellen die Beziehung zwischen Vater und Sohn in den Mittelpunkt, um sich dann in völlig unterschiedliche Richtungen zu entwickeln. Während in Netto, einem tragikomischen Hochschulfilm von Robert Thalheim an der HFF Potsdam, die Rollen zwischen Erzieher und Erzogenem vorübergehend getauscht werden, sortiert sich in Das Lächeln der Tiefseefische von Till Endemann die Familie durch den Konflikt der Generationen neu.

Von fataler Bindungslosigkeit erzählt Blackout, der 30minütige Spielfilm des Berliner dffb-Studenten Maximilian Erlenwein. Der Gitarrist Tom Schulze zieht als Dr.Jekyll und Mr. Hyde der Berliner Szene durch den Film. Im Rausch wird der sensible Musiker zum brutalen Schläger und zerstört Beziehungen und Biografien - inklusive seiner eigenen.

Zwei Dokumentarfilme, die sich in völlig unterschiedlichen Milieus bewegen, wagen einen besonders intensiven Blick auf das Lebensgefühl und die Lebensumstände junger Menschen in diesem Land. Janine F. von Teresa Renn geht einem Fall nach, der nicht nur in der Berliner Kunstszene vor zwei Jahren für Aufregung und Entsetzen sorgte. Er untersucht den Selbstmord der Künstlerin Janine F. im Berliner Kulturzentrum Tacheles in Form von Gesprächen mit Hinterbliebenen zwischen Schuldbewusstsein und Ignoranz.

Was lebst du? von Bettina Braun erzählt - ebenfalls sehr persönlich - aus der Welt von vier muslimischen Freunden unterschiedlicher Nationalitäten in Köln."

- Ein kleines Schmankerl für Freunde des "Russenfilms" bietet die Retrospektive: Sergej M. Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin wird mit Orchesterbegleitung in der Volksbühne als Sondervorführung präsentiert. Der seinerzeit von der Zensur stark gegängelte Film wird in einer neuen Restauration und Rekonstruktion, die sich noch näher an der russischen Erstaufführung orientiert, zu sehen sein. Details dazu hier in meinem Filmblog.

- Auch der Wettbewerb macht von sich reden. Neun Filme sowie der Jury-Präsident der Glamoursektion stehen bereits fest. Als Eröffnungsfilm wird das historische Drama Man to Man gezeigt, das sich mit der Rolle der Wissenschaftler zu Zeiten der Kolonisation Südafrikas befasst. Eine Auflistung der übrigen Filme findet sich hier in meinem Blog (Empfehlungen: die Filme von Christian Petzold, Wes Anderson und Gu Changwei).

Filmkritiken, Eindrücke, Empfehlungen und weitere News in den nächsten Tagen und Wochen in meinem Filmblog. Weiterhin verweise ich auf das Online-Filmmagazin Jump Cut, wo Ekkehard Knörer mit sehr lesenswerten Kritiken jährlich vom Festival (und in der Regel eher von dessen Nischen als von den großen Glammer-Filmen) berichtet.